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Hase Bikes Pino Steps: Samt Kind und Kisten

Foto: Stefan Weißenborn

Tandem Hase Bikes Pino Steps Fahrrad ersetzt Kleinwagen

Dieses Fahrrad transportiert bis zu fünf Personen und Gepäck: Das Pino vom Spezialradhersteller Hase Bikes ist ein ungewöhnlich konstruiertes Tandem. Und deshalb nicht ganz billig.

Der erste Eindruck: Ein Tandem, aber ein sehr spezielles.

Das sagt der Hersteller: Die Kinder kommen mit, Getränkekisten, der Markteinkauf oder Krims-Krams für den Flohmarkt - der Hersteller hat das Pino als Multitalent konstruiert.

"Es ist natürlich kein normales Rad", sagt Kilian Wagner von Hase Bikes im nordrhein-westfälischen Waltrop. Es sei ein Tandem, aber auch ein Lastenrad - und ein Kita-Taxi, dem kein Parkplatzproblem droht.

Im vorderen Sitz fährt eine zusätzliche Person mit. Wer in Zubehör investiert, kann eine ganze Familie transportieren: Die Eltern rollen in Sattel und Vordersitz, ein Kind auf einem Kindersitz auf dem hinteren Gepäckträger. Weiterer Nachwuchs kommt im Anhänger unter. Die Gesamtzuladung darf 225 kg dabei nicht überschreiten.

Aber auch für zwei Personen sei das Pino das bessere Tandem, findet Wagner: Der Sattel ist höher, der Sitz tiefer montiert - ein Stufentandem, auf dem jeder gute Sicht hat. "Bei normalen Tandems sieht der Hintermann nur den Rücken des Vordermanns", sagt Wagner.

Wer allein aufsattelt, kann das Pino als Lastesel einspannen. Über den Vordersitz lässt sich eine Tasche mit 120 Liter Ladevolumen spannen (Aufpreis: 290 Euro). Zwischen Tretlager und Vorderrad findet ein zusätzlicher Gepäckträger mit klappbaren Seitenteilen Platz ("Porter Rack", 490 Euro extra). Er fungiert zugleich als Doppelständer.

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Hase Bikes Pino Steps: Samt Kind und Kisten

Foto: Stefan Weißenborn

Gegen Aufpreis von 295 Euro lässt sich dort unten eine Tasche mit weiteren 80 Litern Volumen anbringen. So summiert sich das Ladevolumen fast auf Kleinwagenniveau, der Preis mit um die 9000 Euro in der E-Bike-Version allerdings auch. Hase Bikes erklärt das damit, dass die Firma nur rund 500 Pinos jährlich absetzt.

Herausstechend ist im Wortsinn der Vorbau. "Das hat Schlachtschiffcharakter", sagt Wagner. Vorn aus dem Oberrohr lässt sich ein Teleskoprohr ausziehen. Darauf sitzt die zweite Tretkurbel. Ist das Rohr komplett ausgezogen, können Menschen bis zu einer Körpergröße von bis zu zwei Metern komfortabel mittreten. Ist das Rohr eingeschoben, kommen auch Mitfahrer ab 1,50 Meter Körpergröße bequem an die Kurbel. Sollen Kinder vorn mitfahren, die zwischen 1 und 1,50 Meter groß sind, wird eine Kinderkurbel (490 Euro) auf dem verlängerten Oberrohr fixiert.

Das ist uns aufgefallen: Auf dem Pino sitzt man zu zweit wie in einem Boot und genießt alle Tandemvorteile. Bei der Fahrradtour muss niemand auf den anderen warten; man kann sich jederzeit unterhalten.

Der große Unterschied zu einem klassischen Tandem: Der passivere Passagier sitzt vorn, was einen gewissen Vertrauensvorschub gegenüber dem Lenkenden erfordert. Während der Hintermann führt, kann der andere nur mittreten. Bremsen, lenken, schalten? Fehlanzeige. Bei einem Unfall muss der Vordermann zudem als menschliche Knautschzone herhalten. Es braucht vorn eine Weile, bis sich das Unwohlsein legt.

Immerhin darf der Vornsitzer pausieren. Dazu hat Hase Bikes einen Freilauf eingebaut: Wird hinten pedaliert, läuft die vordere Kurbel nicht zwangsläufig mit. Das macht das Pino zum guten Partner für längere Radtouren mit Kind, das im Vordersitz ein Mittagsschläfchen halten kann und dabei von einem Fünf-Punkt-Gurt gehalten wird.

Andersherum funktioniert es aber nicht. Tritt der Vordermann in die Pedale, rotiert auch der hintere Antrieb. Am besten wartet man auf ein Signal des Hintermanns, wann es losgehen soll. Doch das ist schnell gelernt.

Das bepackte Pino schiebt fast so schwer an wie ein Motorrad. Doch rollt die Fuhre erst einmal, ist das Rad an Laufruhe kaum zu übertreffen. Wenn viel Ladung den Schwerpunkt nach unten verlagert, bleibt es umso treuer in der Spur.

Dabei gibt es allerdings einen Haken: Mit Gepäckhalterung unten beträgt die Bodenfreiheit nicht mal zehn Zentimeter. Manche Bordsteinkante wird so zum Hindernis. Ist die Kante zu hoch, setzt das Bodenblech auf oder das ganze Rad verkantet, sodass man aus dem Sattel muss. Sind Sack und Pack wiederum vorn in der Sitztasche untergebracht, fährt sich das Rad dagegen kopflastig wie ein Roadster mit schwerem Frontmotor.

Das muss man wissen: Das Lastentandem wirkt wie ein Exot, auch für Spezialradexperten. "Megageil, sehe ich zum ersten Mal", sagt ein entgegenkommender Liegeradfahrer, der für den Kommentar angehalten und die Arme verschränkt hat, um uns aufmerksam mit Kind und Kisten passieren zu lassen.

Ratgeber Rad

Einen Kompromiss ist Hase beim Rahmen eingegangen: "Wir mussten die goldene Mitte zwischen Stabilität und Gewicht finden", sagt Wagner. Die Aluminiumkonstruktion verwindet sich während der Fahrt bei seitlich wirkenden Kräften merklich. Der Fahrer muss zum Abbiegen nur den Arm ausstrecken, schon ist im vorderen Sitz ein Wabern zu spüren.

Mehr Stabilität hätten noch dickere Rohre gebracht - doch das Pino wiegt in der von uns gefahrenen Version Steps mit E-Motor bereits 31 Kilo. Doch im Grunde stört es kaum, dass sich das Pino mal windet, weil man es eher gemächlich fährt.

Gefragt ist eher Komfort als optimale Kraftausbeute. Gut, dass eine Federgabel Stöße vor allem vom sitzenden Vordermann abhält. Im Prinzip überflüssig sind dagegen die beiden am höchsten übersetzten Gänge der Elf-Gang-Kettenschaltung. Man sollte eher langsam und vorsichtig fahren, um reaktionsfähig zu bleiben. Und wer die hohen Gänge bei niedrigerem Tempo dennoch nutzt, ist untertourig unterwegs wie im Auto. Das kostet viel Kraft und saugt beim E-Bike den Akku schneller leer.

Das werden wir in Erinnerung behalten: Wie oft das Auto ungenutzt blieb, so lange wir das Pino hatten. Großeinkäufe waren mit dem Lastentandem kein Problem, und der Nachwuchs ist selten begeisterter zur Kita kutschiert worden.