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Krasniqi-Niederlage Der letzte Akt des Seiltänzers

Er wollte Max Schmeling beerben, jetzt steht er vor dem Karriere-Aus: Luan Krasniqi wurde im WBO-Ausscheidungskampf von seinem Gegner Tony Thompson im Eiltempo aus dem Ring geprügelt. Trotzdem war der Abend für Krasniqis Boxstall ein gewisser Erfolg.

Der Mundschutz flog meterweit über die Seile. Als Ringrichter Mark Nelson 21 Sekunden vor dem Ende der fünften Runde ein Einsehen mit Luan Krasniqi hatte und den Kampf aufgrund eines technischen K.o. abbrach, spuckte dessen Gegner Tony Thompson die gelbe Schutzleiste aus, und prügelte sie wie ein Tennisspieler aus dem Seilgeviert. Dann trommelte er sich in Tarzan-Manier auf die Brust und bestieg seine Ringecke. "Ich hab dir gesagt, dass das heute einfach wird", rief der Amerikaner seiner Frau zu, die in der dritten Reihe auf dem roten Teppich vor Freude auf und ab sprang.

Luan Krasniqi: "Es tut mir leid für die Zuschauer"

Luan Krasniqi: "Es tut mir leid für die Zuschauer"

Foto: Getty Images

In der anderen Ecke des Rings rang Krasniqi um Fassung. Der Kosovo-Albaner war fast über die gesamte Kampfzeit wie ein Sandsack bearbeitet worden. Schon in der zweiten Runde prasselten binnen Sekunden mehr als 20 Schläge auf Krasniqis Kopf. Nahezu ohne Gegenwehr ließ sich der 36-Jährige von seinem ein Jahr jüngeren Gegner durch den Ring prügeln. Immer wieder stellte sich Thompson seinen Kontrahenten zurecht und bearbeitete ihn nach allen Regeln der Kunst - sowohl mit der linken als auch mit der rechten Faust. Krasniqi tanzte durch die Seile wie ein Brummkreisel.

Mitte der fünften Runde - nach einem weiteren Schlaghagel - forderte Ringrichter Nelson vom sichtlich benommen Krasniqi, er solle sich verteidigen. Sonst werde er das ungleiche Duell abbrechen. "Ich hatte keine andere Wahl, als den Kampf zu beenden", sagte Nelson. Eine richtige Entscheidung angesichts der Vielzahl schwerer Wirkungstreffer gegen Krasniqis Kopf.

Spott von Michalczewski

Lediglich in der ersten Runde hatte Krasniqi mitgehalten. Danach baute er von Minute zu Minute mehr ab. Eigentlich gilt Krasniqi als akribischer Arbeiter, der sich puntkgenau auf seine Kämpfe vorbereitet. Doch ebenso wie am 28. September 2005, als Krasniqi in seinem einzigen WM-Kampf von Lamon Brewster durch technischen K.o. besiegt wurde, reichte es diesmal wieder nicht für die Weltspitze.

"Es tut mir leid für die Zuschauer", sagte der Verlierer direkt nach dem Kampf im Ring. Die 7500 Boxfans in der Hamburger Color Line Arena bekamen von der Entschuldigung nicht viel mit. Zu laut waren die Pfiffe, die Krasniqi für seinen traurigen Auftritt erntete. Und als wären ein dickes Auge und die deutliche Niederlage nicht schlimm genug, gab es auch noch Häme von einem alten Kollegen. "Ich bin enttäuscht von Luan. Er war heute einfach nur schlecht. Dieser Kampf hatte überhaupt kein Niveau", sagte der ehemalige Weltmeister im Halbschwergewicht, Dariusz Michalczewski.

Doch mit dieser Einschätzung wurde Michalczewski Thompsons Leistung nicht gerecht: Der Vater von sieben Kindern, der erst im Alter von 27 Jahren Boxprofi wurde, überzeugte durch Schnelligkeit, Schlagkraft und eine unglaublich hohe Trefferquote. Seit sieben Jahren ist Thompson ungeschlagen, gestern feierte er seinen 30. Sieg im 31. Kampf. "Ich hätte mich heute auch zu Tode gekämpft", sagte Thompson, der nun als Pflichtherausforderer auf den künftigen WBO-Champion trifft.

Dieser Traum ist für Krasniqi in weite Ferne gerückt. Der Rottweiler wollte als erster Deutscher nach Max Schmeling Weltmeister im Schwergewicht werden - nach diesem Kampf wird er ernsthaft über sein Karriereende nachdenken: "Ich werde mich mit meinen Vertrauten zusammensetzen und beraten, wie es weitergeht. In meinem Alter ist es schwer, noch einmal zurückzukommen - aber nicht unmöglich", sagte Krasniqi.

"Mir gehört die Zukunft"

Am 13. Oktober wird Thompson aufmerksam das Geschehen in Moskau verfolgen. Dort entscheidet sich, wen der "Tiger" auf dem Weg zur WM schlagen muss. Im Vereinigungskampf der WBO und der WBA kommt es an diesem Abend zum Duell zwischen Sultan Ibragimov (WBO-Champ) und Ruslan Tschagajew (WBA). Letzterer kommt ebenso wie Krasniqi aus dem Universum-Stall in Hamburg und könnte seinen Kollegen rächen.

Trotz der Niederlage seines Kämpfers kann Universum-Chef Klaus-Peter Kohl aus diesem Abend Hoffnung schöpfen. Denn für den Fall der Fälle hat der Promoter schon das nächste Pferd im Stall: Alexander Dimitrenko gewann vor dem Hauptkampf den WBO-Inter-Continental-Titel im Schwergewicht gegen den Amerikaner Malcom Tann. Das 25-jährige Toptalent mit dem Babyface zeigte sich dabei von der harten Seite. Nach fünf Runden lag sein Herausforderer am Boden. Es war bereits der 16. K.o. im 26. Kampf des Ukrainers.

Damit ist Dimitrenko seinem Ziel, Weltmeister zu werden, ein gutes Stück näher gekommen. "Noch zwei, drei Kämpfe, dann muss er soweit sein, einen WM-Kampf zu bestreiten", sagt sein Trainer Fritz Sdunek, der nach dem Sieg von seinem Schützling einen zärtlichen Jab zur Belohung bekam. Schon im kommenden Jahr soll der Jurastudent um einen der vier WM-Gürtel boxen. "Mir gehört die Zukunft", hatte Dimitrenko bereits vor seinem Triumph vollmundig angekündigt. Sein Stallgefährte Krasniqi dürfte seit gestern der Vergangenheit im Schwergewicht angehören.

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