Huecking Mit Goethe im Garten Callwey issuu

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M it Fo to s von M a r io n Ni ckig

mit Goeth e im G a rt e n R e nate H ĂŒck i ng

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I N s p I rat I o N u n d g rĂŒ N e s W I s s e N a us d e n g Ă€ r t e n d e r g oe t h e z e i t


Inhalt — Ein zĂ€rtlich jugendlicher Kummer (...)

4 „EINladung“

Gott segne mir den Mann In seinem Garten dort! Wie zeitig fĂ€ngt er an, Ein lockres Beet dem Samen zu bereiten! Kaum riss der MĂ€rz das Schneegewand Dem Winter von den hagern Seiten, Der stĂŒrmend floh und hinter sich aufs Land Den Nebelschleier warf, der Fluss und Au Und Berg in kaltes Grau Versteckt, da geht er ohne SĂ€umen, Die Seele voll von ErntetrĂ€umen, Und sĂ€t und hofft.

z u e i n e m G a rt e n s pa z i e r g a n g mit Goethe

30 „ Die frische Luft des freien Feldes“ B ĂŒ r g e r l i c h e G a rt e n l u s t i n W e i m a r — eine rosenlaube

6 „ Hab ein liebes GĂ€rtchen vor DEM Tore an der Ilm ...“ G o e t h e w i r d G a rt e n b e s i t z e r

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38 „ Nach Tisch gefĂŒrstenkindert“ M i t K i n d & K e g e l i m G a rt e n — „Haseneiersuchen“

„ 
 nun Erdtulin fĂŒr ewig“ Goethe zieht aufs Land — D i e M a lv e n a l l e e

18 „ Gewöhnlich eilten wir sogleich in den Garten“ E i n F r a n k f u rt e r J u n g e a u s g u t e m Hause — F r a u A j a s E i e r k u c h e n

42 „ BĂ€ume voll blinkenden Dufts im Mondschein“ D e r G a rt e n a l s D i c h t e rw e r k s tat t

46 „ Gern schickt ich Ihnen ein paar Aurikeln“ M i t F r au vo n S t e i n

— L a u b f r ö s c h e – e i n G e r i c h t a u s K i n d e r ta g e n

— V e i l c h e n i n d e r J a c k e n ta s c h e

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„ Meine Rosen blĂŒhen bis unters Dach“ G o e t h e w i r d G Ă€ rt n e r

„ Wie das VorrĂŒber- schweben eines leisen Traumbilds“ D e r W ö r l i t z e r Pa r k

— Die „Frankfurter Rose“ — g e b l e i c h t e r S pa r g e l

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i n h a lt


58 „ Ich hĂ€tte Goethen vor Liebe fressen mögen“ D e r W e i m a r e r Pa r k

64 „ Ich strich um mein verlassen HĂ€uschen“ U m z u g i n d i e S ta d t

70 „ Im Land, wo die Zitronen blĂŒhen“ G o e t h e s f l u c h t n a c h I ta l i e n

90 „ das pflanzenreich rast wieder einmal in meinem gemĂŒte“

„ Ich bin nur glĂŒcklich durch Dich und Deine Liebe“ m a m s e ll v u l p i u s u n d i h r d i c h t e r

C h r i s t i a n e s B r i e f e a u s d e m G a rt e n

— e i n g a r t e n n a c h g o e t h e s farbenlehre

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98 „ Die ĂŒbersendeten Geor­ ginen wĂŒnsche ich dereinst blĂŒhen zu sehen“

„ Rosen und Brennende Liebe brĂŒsten sich sehr“ Bl u m e n i m G a rt e n a m F r a u e n p l a n — „ A l t e “ R o s e n f ĂŒ r d e n G a r t e n

„ Sie weiSS mit jeglichem Tag die Speisen klug zu wechseln 
“ da s g u t e l e b e n a m f r a u e n p l a n — D i e T h ĂŒ r i n g e r K a r t o ff e l t o r t e – ein Rezept von 1797

Die schöne Mexikanerin

152 Praktische Hinweise Pflanzenanbieter und Vereinigungen

154 Historische rosen ro s e n i n g o e t h e s g a rt e n am frauenplan

155 Literaturverzeichnis E i n e A u s wa h l z u m W e i t e r l e s e n

— D a h l i e n i m G a r t e n – ein „Museumsbeet“

104 „ Die GĂ€rten sind sehr unterhaltend“

136 „ fĂŒrtreffliche Stachel­ köpfchen“ z u g a s t i n f r a n k f u rt a m m a i n

— D e r „ j a r d i n P o r tat i f “

112 „ Nelken, wie find ich Euch schön!“ d i e Bl u m e m i t S y s t e m — Nelken, in NasennĂ€he bitte!

140 „ Die Natur ergibt sich nicht einem jeden“ Goethes letzte Lebensjahre

146 Die Lebensdaten Johann Wolfgang Goethes u n d w i c h t i g e V e rö f f e n t l i c h u n g e n

116 „ Es gibt nun sehr viel in beiden GĂ€rten zu tun“ O b e r g Ă€ rt n e r i n C h r i s t i a n e — R a p o n t i k a , e i n v e r g e s s e n e s

156 Pflanzenregister M i t b ota n i s c h e n n a m e n

— c a r d y – g e b l e i c h t e s t i e l e i m T o p f

G o e t h e u n d d i e Bl u m i s t e n

— Die BlumenhĂŒgel

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„ In einer Nacht haben mir die Schnecken beinahe alles aufgefressen“

d e r g a rt e n a l s b ota n i s c h e l e h r a n s ta lt

— begrĂŒssungen

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158 Personenregister Goethes zeitgenossen

159 Bildnachweis

160 Danksagung und impressum

148 Historische GĂ€rten in und um Weimar T i p p s f ĂŒ r G a rt e n f r e u n d e a u f R e i s e n

WurzelgemĂŒse

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„Hab ein liebes GĂ€rtchen vor DEM Tore an der Ilm 
“ —

Goethe wird Gartenbesitzer

„Den Garten in Besitz genommen“, heißt es lapidar am 21. April 1776 in Goethes Tagebuch, ein Satz, dessen Tragweite sich erst im RĂŒckblick erschließt. Kein halbes Jahr ist es her, dass der Dichter aus dem weltoffenen Frankfurt auf Einladung des erst 18-jĂ€hrigen Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar (1757 – 1828) nach Weimar gekommen ist. Doch wird er sich dauerhaft mit einem Leben in dem provinziellen ResidenzstĂ€dtchen anfreunden können? Zwar ist ihm der junge Carl August als ĂŒbermĂŒtiger Freund lieb und teuer, doch will der Dichter des „Werther“, der gegen die Konventionen rebelliert, sich ausgerechnet an einen FĂŒrsten und ein FĂŒrstenhaus binden? Die Sache ist unentschieden. Da wird im Herbst 1775 der Verkauf eines Gartens außerhalb der Stadtmauern annonciert, ein GrundstĂŒck an der Ilm mit einem ehemaligen WeinberghĂ€uschen und einem Brunnen darauf. Erst ein halbes Jahr spĂ€ter gibt einer der reichsten BĂŒrger der Stadt ein annehmbares Gebot ab, und plötzlich bietet der neue Freund des Herzogs mit. Bevor aber der Preis weiter in die Höhe getrieben wird, setzt der Herzog sich persönlich dafĂŒr ein, dass sein ProtegĂ© den Zuschlag erhĂ€lt,

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G o e t h e w i r d g a rt e n B E s i t z e r

und als Grundbesitzer BĂŒrger der Stadt Weimar wird. Zu dieser Zeit zĂ€hlt sie etwa 6000 Einwohner und hat noch einen dörflichen Charakter. Diesem Ort soll der berĂŒhmte Autor des „Werther“ ein wenig Glanz verleihen. Carl August will den Dichterfreund unbedingt in Weimar halten, und so spendiert er kurzerhand die Kaufsumme von 600 Talern. G o e t h es neu er Bes itz l iegt an einem H a n g , d er s ic h am rec hten Uf er d e r I l m ers trec kt u nd das „Ho rn“ g e n a n nt wird.

Vom höchsten Punkt aus hat man eine wunderbare Aussicht auf die Wiesen des schmalen Flusstals und auf den sogenannten „Stern“, einen barock anmutenden Baumgarten mit einem sternförmig angelegten Wegesystem, nach dem auch Goethes GelĂ€nde der „Garten am Stern“ genannt wird. Nur ein schmaler Weg fĂŒhrt zu dem lĂ€ndlichen Anwesen, und wer den Dichter in seiner Natureinsamkeit besuchen will, muss WasserlĂ€ufe ĂŒberqueren und mehrere verschließbare Gatter


oben Goethes Haus im „ G a rt e n a m S t e r n “

links FrĂŒhlingsblumen b e g r ĂŒ SS e n d i e Besucher

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rechts oben S pa z i e rw e g e n t l a n g der Ilm

rechts unten G o e t h e s G a rt e n h a u s i m I l m pa r k , v o n G e o r g Melchior Kraus, 1806

GegenĂŒberliegende Seite links Der Dichter des „ W e rt h e r “ , v o n G e o r g Melchior Kraus, 1774

GegenĂŒberliegende Seite rechts Der junge Herzog Carl A u g u s t, v o n J o h a n n Philipp B ach, um 1775

nÀchste Doppelseite Die Ilmwiesen v o r d e m G a rt e n h a u s voller Löwenzahn

S e i t e 8 G o e t h e w i r d g a rt e n B E s i t z e r


2. April 3. April 6. April 2. Mai 19. Mai 24. Juli 26. Juli

Viele Arbeit im Garten Die Hecken gepflanzt. Den ganzen Tag mit Bau- und Gartenarbeit zugebracht. Gebaut und gepflanzt. Die Weymuthsfichten. Nachts herrliches Gewitter Im Garten bis Nacht. War herrlicher Mondschein Im Garten geschlafen in herrlichem Mondschein aufgewacht. Herrliche Mischung des Mondlichts und des anbrechenden Tags. Wieder in Garten gezogen. Die Natur unendlich schön gesehen.

passieren. WĂ€hrend Goethes Freundin Charlotte von Stein (1742 – 1827) die SchlĂŒssel dafĂŒr erhĂ€lt, scherzt sein Freund Christoph Martin Wieland (1733 – 1813), dass man „nicht anders zu ihm dringen kann, als mit einem Zug Artillerie, oder wenigstens ein paar Zimmerleuten, die einem die ZugĂ€nge mit Äxten öffnen“. Der 21. April ist ein Sonntag. In jedem Winkel bricht das FrĂŒhjahr hervor. Es ist still. Außer dem Vogelgezwitscher kein Laut. „ Hab ein liebes G Ă€rt c h e n vor m Tor e an d e r I l m s c h ö n e n W i e s e n in einem Tale“,

freut der Besitzer sich und streift ergriffen durch den verwilderten Garten, der immerhin fast einen Hektar groß ist. Hinterm Haus zieht sich wucherndes Buschwerk und alter Baumbestand

den Hang hinauf. „Raupig“ nennt er den Garten. Doch andererseits ist diese Wildnis nach Goethes Geschmack. Die freie unberĂŒhrte Natur! Das weckt in ihm starke GefĂŒhle. Wie bei seiner Romanfigur, dem jungen Werther, der in einem Garten die heftigste Leidenschaft und die tiefste Verzweiflung empfindet. Der Dichter ist voller Enthusiasmus und Tatendrang. Hier kann er ganz er selbst sein und sich frei von gesellschaftlichen ZwĂ€ngen entfalten. Ein Blick auf das verwahrloste Gartenhaus dĂ€mpft die Hochstimmung – aber nur ein wenig: Das Dach ist undicht. Die Böden löchrig, die Treppe morsch. Keine Möbel, nur der Ziehbrunnen ist noch in Ordnung. Handwerkertrupps rĂŒcken an. Es wird gehĂ€mmert und gesĂ€gt. Die Dachdecker, Maurer und Schreiner werden Wochen brauchen, um das Haus wieder bewohnbar zu machen.

Au s dem Tagebu c h 1777

Der Herzog sorgt dafĂŒr, dass der HofgĂ€rtner von Schloss Belvedere, Johann Friedrich Reichert (1738 – 1797), mit seinen Arbeitern die Gestaltung des unteren Gartenteils in Angriff nimmt. Frische Erde wird angefahren, neue GemĂŒsebeete und Blumenrabatten entstehen. Der Hausherr kommt, so oft es seine GeschĂ€fte in Weimar erlau­ben, um die Arbeiten zu ĂŒberwachen und voranzutreiben. GroßzĂŒgig finanziert der Landesherr seinem Freund alle Restaurierungsarbeiten. „Wir saßen oft tief in die Nach hinein“, erinnert Goethe sich, „und es war nicht selten, dass wir nebeneinander auf meinem Sofa einschliefen.“ Wild und ungebĂ€rdig spielen die beiden den BĂŒrgerschreck und machen Peitschen knallend die Gegend unsicher. Trotzdem bleibt der Standes­ unterschied. Es gibt gegenteilige Ansichten und andere Vorlieben, dennoch bleibt das ungleiche Freundespaar einander immer loyal verbunden.

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„ 
nun Erdtulin fĂŒr ewig“ — G oethe zieht aufs land

Endlich, am 18. Mai, sind die Handwerker fertig und Goethe hat sein Refugium wieder fĂŒr sich allein. „Sonnabends nachts 10 in meinem Gar­ ten“, berichtet er der befreundeten Auguste GrÀ­ fin zu Stolberg (1753 – 1835): „Ich habe meinen Philipp nach Hause geschickt und will allein hier zum erstenmal schlafen.“ Eine Nacht ohne sei­ nen Diener. Eine Nacht ohne Komfort. Eine Übernachtung auf dem Boden. Goethe zele­ briert das unverfĂ€lschte einfache Leben in der Natur. Schon in aller HerrgottsfrĂŒhe genießt er die Einsamkeit. „Es ist eine herrliche Empfin­ dung, draußen im Feld allein zu sitzen. Morgen­ frĂŒhe wie schön. Alles ist so still. Ich höre nur meine Uhr tacken und den Wind und das Wehr von ferne.“ Welch ein wohltuender Kontrast zum geschĂ€ftigen Leben in der Stadt. „Sonntag frĂŒh den 19. Ein trĂŒber aber herrlicher Tag. Ich habe lang geschlafen, wachte aber gegen vier auf, wie schön war das GrĂŒn dem Auge das ich halb­ trunken auf tat. Da schlief ich wieder ein.“ Seiner Freundin Charlotte von Stein, von der noch ausfĂŒhrlicher die Rede sein wird, schickt er nach der ersten Nacht ein Billett: „Zum ersten Mal im Garten geschlafen, und nun Erdtulin fĂŒr ewig.“ Ein neues Leben beginnt – als Erdtulin, einem MĂ€rchenwesen, das unter BĂ€umen lebt. Oder greift Goethe nur die Bezeichnung auf, mit der man in Weimar die Höflinge belĂ€chelt, die wie Goethe und der Herzog im Sommer auf der blanken Erde schlafen?

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G o e t h e z i e h t a u fs l a n d

Goethe ist in Hochstimmung. Erfrischt wacht er morgens auf und genießt das Landleben: „Ein herrlich schöner Tag, aber kĂŒhl. Die Sonne liegt schon auf den Wiesen! – der Tau schwebt noch ĂŒber dem Fluss. Ich will hinunter ans Wasser ge­ hen und sehen ob ich ein paar Enten schießen kann.“ Seine Jagdbeute ist ĂŒberschaubar: eine Ente, mehr nicht. Dennoch, ein Hoch auf das ursprĂŒngliche Landleben! Voller Energie plant er seine Gartenanlage. „Ich lass mir von den Vögeln was vorsingen, und zeichne RasenbĂ€nke, die ich will anlegen lassen“, heißt es da. Der GĂ€rtner ist glĂŒcklich: „Es geht gegen elf, ich hab noch gesessen und einen engli­ schen Garten gezeichnet.“ Diese neueste „engli­ sche“ Gartenmode entspricht ganz dem Lebens­ gefĂŒhl der jungen Generation, und dieser parkĂ€hnliche Gartenteil entsteht unmittelbar am Hang hinter Goethes Gartenhaus. FĂŒr die anstrengenden Arbeiten kommt HofgĂ€rt­ ner Reichert mit seinen HilfskrĂ€ften zurĂŒck. Es gilt, dichtes Buschwerk zu roden, um dann BĂ€u­ me und Gehölze zu pflanzen. Steine mĂŒssen fort­ geschafft, Treppen gebaut und das GelĂ€nde muss terrassiert werden. Ein geschwungener Weg soll bergan fĂŒhren. Der Hausherr persönlich legt den Verlauf der Spazierwege fest, denn sie sollen die zukĂŒnftigen Besucher an den pflanzlichen At­ traktionen und den schönsten Ausblicken vorbei­ fĂŒhren. Au S S e r dem werden vo n Hec ken g es c h ĂŒ t z te Nisc hen ang el eg t, in denen d e r D i chter mit F reu nden im vertrau t e n G e sprĂ€c h au f einer B ank sitzen u n d i n die Landsc haft sc hau en kann.

Besucher betreten das Anwesen damals durch eine einfache Pforte und gehen auf einem von Linden gesĂ€umten Weg bergan. Links der Nutz­ garten, rechts die Blumenrabatten unterhalb des Hauses, erreicht der Gast die Querachse des Gartens, ein langer gerader Weg, den der GĂ€rt­ ner rechts und links mit einer dichten Reihe von Stockrosen geschmĂŒckt hat. Sie bilden ein bunt blĂŒhendes Spalier in Gelb, Rosa, Rot und Vio­ lett, zwischen dem Goethe ungesehen spazieren kann.


links Die Silhouette der F r e i f r a u Cha r l o t t e von Stein

unten e i n g r o S S e s K i e s e l m o sa i k s c h m ç«Ż c k t d e n ha u s è¶ł eingang

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rechts Gelbe Weinbergtulpen w u c hs e n h i e r s c h o n , bevor Goethe einzog

unten E n t l a n g g o e t h e s m a lv e n allee blĂŒhen heute viele b u n t e s ta u d e n

gegenĂŒberliegende Seite Der „Stein des guten GlĂŒcks“ – eine modern anmutende Skulptur

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G o e t h e z i e h t a u fs l a n d


HĂ€ufig steuert er die Skulptur „Agathe tyche“ an, ein beeindruckendes abstraktes Kunstwerk, das er 1777 am westlichen Ende der Malvenallee hat aufstellen lassen. Der sogenannte „Stein des guten GlĂŒcks“ besteht aus einem mĂ€chtigen Steinquader, auf dem eine Kugel balanciert. Die symbolische Formensprache dieser frĂŒhen, nicht figĂŒrlichen Skulptur erschließt sich auch dem heutigen Besucher: Der solide Kubus, ein Bild der BestĂ€ndigkeit, und die Kugel, ein Zeichen ruheloser Bewegung – in diesem sehr modern anmutenden Kunstwerk sind die beiden entge­ gengesetzten KrĂ€fte im menschlichen Leben in Harmonie vereint. Die angrenzende Malvenallee ist eine blumisti­ sche SehenswĂŒrdigkeit in Weimar, und ihr Schöpfer erfreut sich immer wieder an der Schönheit dieser Gartensituation. So schreibt er an eine Bekannte, „dass die Malvenallee im un­ term Garten so schön geworden ist, und so herr­

lich blĂŒht, dass ich sie fast zu schön finde, beson­ ders Abends, wenn die zum Untergang sich neigende Sonne durch die Blumen scheint und die mannigfaltigen Farben erst recht in ihrem Glanz und Wert hervorleuchten“. Bi s i n s h o h e A lt e r l Ă€ sst e r s i c h i m m e r w i e d e r z u m Ga rt e n hau s k u t s c h i e r e n , „ u m d i e Ma lv e n a l l e e i n vo l l e r Bl ĂŒ t e zu sehen“.

Wenn im Sommer die BlĂŒten aufgehen, ist das ein Höhepunkt in Goethes Gartenjahr. Dann lĂ€dt der stolze GĂ€rtner zu einer Teegesellschaft, um mit den Freunden das MalvenblĂŒtenfest zu feiern – sogar noch im letzten Sommer vor sei­ nem Tod. Dann haben die Blumen bei seinen SpaziergĂ€ngen im „Garten am Stern“ fast ein halbes Jahrhundert „in ihren bunten Röcken, an hohen Stöcken hinaufgezogen, Schildwache gehalten“.

— Übrigens befinde ich mich hier gar wohl. Die Einsamkeit ist meinem Herzen köstlicher Balsam in dieser paradiesischen Gegend, und diese Jahreszeit der Jugend wĂ€rmt mit aller FĂŒlle mein oft schauderndes Herz. Jeder Baum, jede Hecke ist ein Strauß von BlĂŒten, und man möchte zum MaienkĂ€fer werden, um in dem Meer von WohlgerĂŒchen herumschweben und alle seine Nahrung darin finden zu können. D ie Leiden des ju ng en Werther,

1 . Bu c h, 4. Mai 1771

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Die Malvenallee Wir nennen Goethes „Malven“ Stockrosen (Alcea rosea) und pflanzen sie in lĂ€ndlichen GĂ€rten in die volle Sonne. Vor einer Hauswand oder am Zaun recken sich die zweijĂ€hrigen Stauden in vielen Farben bis zu 2,5 Meter in die Höhe. Deshalb sollte der Standort windstill und der Boden reich an NĂ€hrstoffen sein. Goethe hat seine Malven „an hohen Stöcken hinaufgezogen“. Heute stehen im „Garten am Stern“ rechts und links des Hauptweges robus­ te, schilfgrĂŒne Holzspaliere, an denen die Pflanzen angebunden werden. „Wir pflanzen die Stockrosen in Reihen, denn es soll ja der Eindruck einer Mauer entstehen“, sagt Ange­ lika Schneider, Gartendenkmalpflegerin der Klassik Stiftung Weimar. Knapp 40 Meter lang ist die Malvenallee, fĂŒnf bis sechs Pflanzen ste­ hen auf 1 Meter, dazwischen wachsen Rosen. „Wir gehen davon aus, dass auch Goethe Ro­ sen dazu gepflanzt hatte“, erlĂ€utert Schneider. Doch es gibt Probleme: „Wir haben den Boden ausgetauscht, und trotzdem sind unsere Pflan­ zen anfĂ€llig fĂŒr Malvenrost und Mehltau. Des­ halb haben wir leider lĂ€ngst nicht mehr eine so dichte BlĂŒte, wie Goethe sie damals erreichte.“ Vermutlich hat der Dichter die Malven aus Sa­ men gezogen. Im Sommer ausgesĂ€t, bilden sich bis zum Herbst bodenstĂ€ndige Blattrosetten, im darauffolgenden Sommer die BlĂŒten. Die Staude gilt als zweijĂ€hrig, manche Sorten leben aber lĂ€nger, und da sie sich selbst aussĂ€en, ist am Standort meist fĂŒr Nachwuchs gesorgt. Trotzdem werden am Gartenhaus jetzt jedes Jahr frische Stockrosen nachgepflanzt, um die BestĂ€nde zu verjĂŒngen und dem grassierenden Malvenrost entgegenzuwirken.

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G o e t h e z i e h t a u fs l a n d

Die gewöhnliche Stockrose begleitet uns als Gartenpflanze schon seit dem Mittelalter. Im berĂŒhmten, um 1410 gemalten „ParadiesgĂ€rt­ lein“ eines Oberrheinischen Meisters blĂŒht sie im Hintergrund rechts in Rot und Weiß. Bei Otto Brunfels tauchte sie 1530 erstmals in der Literatur auf, und Hieronymus Bock kannte in seinem 1539 erschienen KrĂ€uterbuch schon die gefĂŒllte Form und berichtete, dass sie „wie andere zame blumen inn den gĂ€rten aufge­ pflanzet“ wĂŒrden. Heute muten die ge­ fĂŒllten Stockrosen mit den dicht ge­ rĂŒschten BlĂŒtenblĂ€t­ tern (Alcea rosea ‘Ple­ niflora’) besonders romantisch an. Ihr Nachteil: Sie sind etwas empfindlicher als die einfachen Stockrosen und fast immer nur zwei­ jĂ€hrig. Deshalb sind die ungefĂŒllten Sorten, die sich so willig selbst aussĂ€en und in deren BlĂŒÂ­ tenkelchen man die Bienen so gut summen hört, bei Gartenbesitzern beliebter. Die Farb­ palette ist groß: sie blĂŒhen in Gelb und Rot, Rosa und Weiß, Pink und Violett. Nach Farb­ gruppen geordnet oder wie in Goethes Mal­ venallee bunt zusammengewĂŒrfelt, kommt die­ se hohe Prachtstaude am besten zur Geltung. Da die Pflanzen sich bei der Selbstaussaat nicht farbecht vermehren, produzieren sie BlĂŒten in manchmal langweiligen, oft aber attraktiven Farbtönen: ein krĂ€ftiges Zitronengelb zum Bei­ spiel oder zart champagnerfarbene Exemplare.

Wer das Besondere und Ausgefallene liebt, wird sich fĂŒr Stockrosen mit fast schwarzen BlĂŒten begeistern. Der Liebhaber muss aber nicht auf den Zufall warten. In gut sortierten StaudengĂ€rtnereien kann er Alcea rosea ‘Nigra’ bekommen.

oben links S to c k ro s e n g e h ö rt e n zu Goethes Lieblingspflanzen

oben rechts D i e s c h wa r z rot e S to c k ro s e ‘ N i g r a ’


links S pa z i e r g a n g d e r H o f da m e n i m I l m pa r k , S i l h o u e t t e v o n J o ha n n W i l h e l m W e n d t, 1 7 4 7

unten E i n P l at z f ìČŽ r v e r t r a u t e Gespr채che

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„Das Pflanzenreich rast wieder einmal in meinem GemĂŒte“ —

D e r G a r t e n a l s b ota n i s c h e L e h r a n s ta lt

gegenĂŒberliegende seite links s a m e n s ta n d d e r Se i d e n p f l a n z e

gegenĂŒberliegende Seite rechts gepresste und get ro c k n e t e p f l a n z e n

„Ich kam höchst unwissend in allen Naturstudi­ en nach Weimar“, urteilt Goethe in der RĂŒck­ schau. Doch dieser Zustand wird sich bald Ă€n­ dern, denn kaum eingetroffen, soll er 1776 im Auftrag des Herzogs untersuchen, ob im StĂ€dt­ chen Ilmenau der Bergbau wieder aufgenommen werden sollte. Das ist ein perfekter Einstieg in die Geologie und der Auftakt zu einer ganzen Reihe naturwissenschaftlicher Arbeiten: Klimastudien, botanische und zoologische Untersuchungen, bei denen er herausfindet, dass auch Menschen ei­ nen Zwischenkieferknochen haben. Dazu kom­ men jahrelange optische Experimente, um eine neue, allumfassende Farbenlehre aufzustellen. E s w i r d s e i n e u m fa n g r e i c h s t e n at u r w i s s e n s c h a f t l i c h e A bh a n d l u n g , u n d G o e t h e s e l bs t h Ă€ lt s i e f ĂŒ r m i n d e s t e n s

zenreich erforscht. Im Garten der Großeltern wird der Grundstein dazu gelegt; naturwissen­ schaftliche Vorlesungen sorgen in seinem Jura­ studium fĂŒr Abwechselung, und schließlich wird er in Weimar zum GĂ€rtner. Reisen in den Harz und in die Schweiz stimulieren Ende der 70er Jahre sein Interesse an Naturstudien, und bald steht die entsprechende Fachliteratur in seiner Bibliothek. Der LektĂŒre des „im höchsten Sinne verehrten“ Rousseau verdankt Goethe wichtige Anregungen zum Aufbau und Nutzen eines Herbariums. 1780 erwirbt er die ersten 800 gepressten Pflan­ zen – der Grundstock seiner Herbarsammlung, die im Laufe der Jahre auf 1921 BlĂ€tter anwĂ€chst und ihm hilft, seine Pflanzenkenntnisse zu er­ weitern.

e be n s o be d e u t e n d w i e s e i n p o e t i s c h e s Wer k .

Wenngleich das Vorhaben, die Erkenntnisse des Physikers Isaac Newton (1642 – 1727) zu wider­ legen, scheitert, so ist seine eigene Erkenntnis, „dass die einzelnen Farben besondere GemĂŒts­ stimmungen geben“, bis heute anerkannt. FĂŒr Pflanzen interessiert der Dichter sich seit Kindertagen, und schließlich fesselt ihn die „Sci­ encia amabilis“, die „liebenswerte Wissenschaft“ so sehr, dass er den Rest seines Lebens das Pflan­

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d e r g a rt e n a l s b ota n i s c h e l e h r a n s ta lt

Auch liest er die Werke des berĂŒhmten Botani­ kers Carl von LinnĂ© (1707 – 1778), ĂŒber den Goethe sagt, er „habe unendlich viel von ihm ge­ lernt, aber keine Botanik“. Er weist mehrfach darauf hin, dass er von LinnĂ©s Systematik und Nomenklatur profitiert habe, doch Goethes Er­ kenntnisinteresse ist ein anderes: WĂ€hrend der Systematiker LinnĂ© auf die Unterschiede zwi­ schen den Pflanzenfamilien schaut, sucht Goethe nach dem Verbindenden, das allen Pflanzen ge­ meinsam ist. Er richtet sein Augenmerk auf das Wesen einer Pflanze, auf ihr Werden als Orga­


„Auch mit Samenkapseln begegnete mir etwas Auffallendes; ich hatte derselben mehrere von Acanthus mollis nach Hause getragen und in einem offenen KĂ€stchen niedergelegt; nun geschah es in einer Nacht, dass ich ein Knistern hörte und bald darauf das Umherspringen an Decke und WĂ€nde, wie von kleinen Körpern. Ich erklĂ€rte mir’s nicht gleich, fand aber nachher meine Schoten aufgesprungen und die Samen umher zerstreut. Die Trockne des Zimmers hatte die Reife bis zu solcher ElastizitĂ€t in wenigen Tagen vollendet.“ I ta l i e n i s c h e Re i s e , Ne a p e l 1 7 . M a i 1 7 8 7

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rechts d i e a k e l e i g e h ö rt e z u goethes studienobjekten

unten tulpen- und primelblĂŒten – Goethe liess pflanzen, die er untersuchte zeichnen, um 1790

nismus. Einen ganzheitlichen Ansatz wĂŒrden wir das heute nennen.

„ H i e r d u rc h ward mir ein neu es Ver-

Ein GlĂŒcksfall fĂŒr den angehenden Botaniker ist die Begegnung mit Friedrich Gottlieb Dietrich, der einer Pflanzensammler- und Botanikerfami­ lie aus Ziegenhain entstammt. Dietrich begleitet Goethe auf mehreren Reisen, und der schildert spĂ€ter, wie der junge Mann zu Fuß durchs Gebir­ ge lĂ€uft, Pflanzen sammelt und sie in die Kutsche reicht. Dabei ruft er „nach Art eines Herolds die LinnĂ©schen Bezeichnungen, Geschlecht und Art, mit froher Überzeugung aus, manchmal wohl mit falscher Betonung“. In einer kleinen Schrift, in der Goethe die Geschichte seiner botanischen Studien fĂŒr die Nachwelt festgehalten hat, heißt es weiter:

u n d m i r zu g l eic h wis s ens c haf tl ic he

h À lt n i s zu r f reien herrl ic hen Natu r, i n d e m mein Au g e ihre Wu nder g eno s s

gegenĂŒberliegende SE i t e o b e n a u c h d e r e i s e n h u t wa r w i c h t i g f ĂŒ r d i e „ m e ta morphose der pflanzen“

GegenĂŒberliegende seite unten die jungfer im grĂŒnen nannte goethe den „ f l ĂŒ g e l m a n n d e r m e ta morphose“

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d e r g a rt e n a l s b ota n i s c h e l e h r a n s ta lt

Be z e i c hnu ng en des Einzel nen, g l eic hs a m au s einer f ernen Stu diers tu be, in da s O h r drang en. “

Dankbar, dass er durch Dietrich nicht nur die LinnĂ©sche Nomenklatur gelernt hat, sondern auch vom kontemplativen und gĂ€rtnerischen Interesse zu einem botanisch wissenschaftlichen gefunden hat, ebnet der einflussreiche Minister dem begabten Dietrich den Weg fĂŒr eine erfolg­ reiche Laufbahn als GĂ€rtner, UniversitĂ€tsprofes­ sor und Fachautor.


„Das Pflanzenreich rast wieder einmal in mei­ nem GemĂŒte“, gesteht Goethe seiner Freundin Charlotte von Stein, kurz bevor er nach Italien aufbricht, „ich kann es nicht einen Augenblick los werden, mache aber auch schöne Fortschrit­ te.“ In den zwei Jahren Italien (s. S. 70) hat ihn – trotz Kunststudium, Literatur und Lebensgenuss, die Leidenschaft fĂŒr die „abstrakte GĂ€rtnerei“, so nennt er seine Naturstudien, nicht verlassen. Nachdem er nach Weimar zurĂŒckgekehrt ist und das Haus am Frauenplan bezogen hat, kann er, nur ein paar Schritte vom Schreibtisch entfernt, seine Theorien an konkreten Pflanzenbeispielen im Garten ĂŒberprĂŒfen oder auch ganz neue Ge­ danken entwickeln. Am liebst en geht e r frĂŒ h m or g e n s , w enn noch all e s ru h i g i s t, i n d e n Ga rt en, den er n u n al s L ab or i m Freien nut zt.

Stets hat er eine Lupe in der Rocktasche, um die VerĂ€nderungen einer Pflanze im Verlauf einer Vegetationsperiode genau zu betrachten und zu analysieren, um danach seine Beobachtungen niederzuschreiben. Schließlich erscheint 1790 seine wichtigste botanische Abhandlung ĂŒber die Metamorphose der Pflanzen. Wenig spĂ€ter erteilt der botanisch interessierte Landesherr seinem Minister den Auftrag, an der Modernisierung des Botanischen Gartens in Jena mitzuwirken. Er ließ eine Wasserleitung legen und mehrere GewĂ€chshĂ€user sowie das Inspek­ torenhaus bauen, in dem er 1794 eine Wohnung bezieht. In diese „Klausur auf dem Blumen- und Pflanzenberge“ zieht Goethe sich hĂ€ufig zum Ar­ beiten zurĂŒck. Bei den tĂ€glichen SpaziergĂ€ngen im Garten kann er in Ruhe denken und forschen. Der Pflanzenreichtum bietet Studienmaterial in HĂŒlle und FĂŒlle; mit den Fachleuten in seiner Umgebung findet er reichlich GesprĂ€chsstoff, und die ihm wohlgesonnenen HofgĂ€rtner erfĂŒl­ len ihm viele WĂŒnsche, sodass Kisten und KĂ€s­ ten mit PflĂ€nzchen und Stecklingen, mit Samen und Zwiebelpflanzen ins Haus am Frauenplan geschickt werden. Zeitlebens pflegt Goethe den Austausch mit GĂ€rtnern und Wissenschaftlern. In Dresden sucht er beispielsweise den HofgĂ€rtner Johann

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oben d u r c h wa c h s e n e Ro s e vo n g o e t h e oder einem Mitglied der weimarer malschule gezeichnet

rechts bei einer durchwa c h s e n e n ro s e treibt aus dem blĂŒtenzentrum ein n e u e r s tĂ€ n g e l m i t laub und blĂŒtenb l Ă€t t e r n

gegenĂŒberliegende seite da s i n s p e k to r e n h a u s i m b o ta n i s c h e n g a rt e n v o n jena

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d e r g a rt e n a l s b ota n i s c h e l e h r a n s ta lt


Heinrich Seidel (1744 – 1815) auf, der dort eine der bedeutendsten Pflanzensammlungen Euro­ pas aufgebaut hat. In ihm findet Goethe einen kompetenten GesprĂ€chspartner zum Thema „Metamorphose“. Goethe ist erstaunt und er­ freut zugleich, „einen praktischen Mann völlig eingeweiht in diese offenbaren Naturgeheimnisse zu finden“. Den Expeditionsreisenden Alexan­ der von Humboldt (1769 – 1859) (s. S. 98) lĂ€dt er in seinen Garten ein, um mehr ĂŒber dessen Pflanzengeografie zu erfahren. Und mit dem Er­ forscher der brasilianischen Flora, Carl Friedrich Philipp von Martius (1794 – 1868), steht Goethe in regem Austausch ĂŒber dessen Spezialgebiet, die Palmen. Auf diese Weise ist der Weimarer ĂŒber die neues­ ten botanischen Forschungen immer auf dem Laufenden und sorgt gleichzeitig fĂŒr die Verbrei­ tung seiner eigenen Erkenntnisse. Mit diesem Ziel folgt er auch Rousseaus Anregung, gebildete Laien – besonders die „Frauenzimmer“ – in die Botanik einzufĂŒhren. Entsprechend gestaltet er seinen Hausgarten zum botanischen Lehrgarten um. Hier entsteht, was er als Kulturbeauftragter Weimars auch bei der Anlage des Botanischen Gartens in Jena durchgesetzt hat: die Pflanzen werden nach ihren Verwandtschaftsbeziehungen (nicht mehr nach ihren Lebensgemeinschaften) angeordnet. So legt Friedrich Gottlieb Dietrich, der inzwischen HofgĂ€rtner in Weimar geworden ist und Goethe bei der Ausarbeitung der „Meta­ morphose“ assistiert hat, im Garten am Frauen­ plan Beete an, in denen die Pflanzen nach Fami­ lienzugehörigkeit zusammengefasst sind: zum Beispiel die Hahnenfuß- oder die RosengewĂ€ch­ se, die Schmetterlings- oder die KorbblĂŒtler. Nach dem damals aktuellen natĂŒrlichen System des französischen Botanikers Antoine-Laurent Jussieu (1748 – 1836) entsteht ein botanischer Garten im Miniaturformat! Nun lĂ€dt der Hausherr seine illustre „Freitagsge­ sellschaft“ in seinen Garten ein, stellt sich in die Beete und hĂ€lt den Mitgliedern dieses von ihm initiierten „gelehrten“ Kreises botanische Vor­ trĂ€ge. An lebendigen Beispielen erklĂ€rt er die Unterschiede der Pflanzenfamilien. Er demonst­ riert die Blattnatur der BlĂŒtenpflanzen, erklĂ€rt wie die LaubblĂ€tter entstehen, wie sich die Kelchund die BlĂŒtenblĂ€tter entwickeln. Auch wie aus

einfachen BlĂŒten die beliebten gefĂŒllten Exemp­ lare entstehen. DafĂŒr sucht er Pflanzen aus, an denen sich die Metamorphose besonders gut darlegen lĂ€sst: die Akelei zum Beispiel, den Ei­ senhut oder die zarte Jungfer im GrĂŒnen, die Goethe zum Paradebeispiel, zum „FlĂŒgelmann der Metamorphose“ erklĂ€rt. Die Zuhörer sind von den Darbietungen begeistert, und es werden noch zahlreiche solcher aufklĂ€renden Veranstal­ tungen in seinem Garten folgen.

Sie ist die tĂŒchtige GĂ€rtnerin, die sich mehr fĂŒr die praktische als die „abstrakte GĂ€rtnerei“ ihres LebensgefĂ€hrten interessiert. Das aber fordert den Dichter heraus, ihr seine Gedanken zur Bo­ tanik in poetischen Worten zu erklĂ€ren. Sie ist die Adressatin des berĂŒhmten Liebes- und Lehr­ gedichts „Die Metamorphose der Pflanzen“ (1798), das mit den Zeilen beginnt:

Erst als sein Assistent Dietrich Weimar verlĂ€sst, um in Eisenach das HofgĂ€rtneramt anzutreten, werden diese „Vorlesungen“ eingestellt. Als Goethe dann wochenlang verreist ist und in Jena im Inspektorenhaus des Botanischen Gar­ tens wohnt, hat er ein Areal mit unzĂ€hligen, auch exotischen Studienobjekten vor der TĂŒr und braucht die „botanischen Beete“ im Garten am Frauenplan nicht mehr. Vermutlich drĂ€ngt auch Hausfrau Christiane Vulpius darauf, die Beete aufzulösen, weil sie mehr FlĂ€che fĂŒr den Anbau von GemĂŒse in HausnĂ€he braucht, um den großen Haushalt und die vielen GĂ€ste zu versorgen.

w ĂŒ h l s ĂŒ ber dem Garten u mher; Viel e

„ D i c h ve rwirret, Gel iebte, die tau s endfĂ€ lt i g e Mis c hu ng Dies es Bl u meng eN a m e n hö rs t du an, u nd immer ve rd r Ă€ n get Mir b arb aris c her Kl ang e i n e r den andern im Ohr. Al l e Ges tal t e n s i nd Ă€hnl ic h, u nd keine g l eic het d e r a ndern; Und s o deu tet das Cho r au f e i n g eheimes Ges etz, Au f ein h e i l i g es RĂ€ts el ! O kö nnt’ ic h dir, l i e bl i che Freu ndin, Überl ief ern s o g l e i c h g l ĂŒ c kl ic h das l ö s ende Wo rt! – Wer dend betrac hte s ie nu n, wie n ac h und nac h s ic h die Pf l anze, s t u f e nweis e g ef ĂŒ hrt, bil det zu r Bl ĂŒ te u n d F ru c ht 
“

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Ein Garten nach Goethes Farbenlehre

„Mut zur Farbe“ hieß 2012 das Motto des Gar­ tenfestivals auf Gut Stockseehof in SchleswigHolstein, zu dem jedes Jahr Landschaftsarchi­ tekten eingeladen werden, an dem Wettbewerb „Der kleine Garten“ teilzunehmen. Die junge Landschaftsarchitektin Pamela MĂŒnch aus LĂŒÂ­ neburg hatte eine zĂŒndende Idee: Zum Thema Farbe fielen ihr sofort Goethe, seine Farbenleh­ re und sein Farbkreis ein. Allein 2000 Seiten hat Goethe seit seinem Itali­ enaufenthalt ĂŒber Farben geschrieben. Er hielt sein 1810 erschienenes Werk „Zur Farbenleh­ re“ sogar fĂŒr sein wichtigstes und war sehr stolz auf seine wissenschaftliche Leistung. „Auf al­ les, was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein“, sagte er spĂ€ter zu Eckermann (s. S. 140), „dass ich aber in meinem Jahrhun­ dert in der schwierigen Wissenschaft der Far­ benlehre der Einzige bin, der das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zugute.“

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d e r g a rt e n a l s b ota n i s c h e l e h r a n s ta lt

Goethe versuchte, das PhĂ€nomen Farbe in sei­ ner Gesamtheit zu erfassen, und lehnte deshalb 100 Jahre nach Newton dessen physikalische Betrachtung des Lichts ab. Ihn interessierte die Sinneswahrnehmung von Licht und Farbe. Wie wird die Strahlung der Farben im mensch­ lichen Auge zu Rot, Blau oder Gelb, fragte er und ging dabei vom polaren Gegensatz zwi­ schen hell und dunkel, zwischen Licht und Finsternis aus. In seinem Farbkreis stehen die Farben Gelb und Blau fĂŒr diese beiden Pole. Dazu kommen das reine Rot und die Komple­ mentĂ€rfarben, die unser Auge jeweils wahr­ nimmt. Zusammen bilden sie den Goetheschen Farbkreis. DarĂŒber hinaus studierte er die emo­ tionale Wirkung der unterschiedlichen Farbtö­ ne, also welche psychologische Wirkung sie auf den Menschen haben. Deshalb wird Goethe heute hĂ€ufig als BegrĂŒnder der modernen Farbpsychologie gesehen.

Diese Gedanken hat Pamela MĂŒnch fĂŒr ihren kreisförmigen Goethegarten aufgegriffen. Der Farbkreis bildet das HerzstĂŒck. Mit einer aus­ geklĂŒgelten Staudenkombination bildet MĂŒnch den Farbverlauf des Goetheschen Kreises nach. Im Inneren des Staudenkreises sind auf horizontal aufgestellten Stahltafeln Goethes Begriffe fĂŒr die Farbemotionen zu lesen. Es gibt Sitzgelegenheiten, sodass der Betrachter das Farbspiel auf sich wirken lassen und die emoti­ onale Wirkung der Farben zwischen Gelb und Blau an sich selbst studieren kann. Beim Publikum kam diese harmonische und doch farbenfrohe Staudenpflanzung gut an. Und die Jury des Wettbewerbs sprach dem Garten nach Goethes Farbenlehre den ersten Preis zu. P l a n u n g : Pa m e l a M ĂŒ n c h U m s e t z u n g : D i r k S c h rö d e r


gegenĂŒberliegende seite d e r s ta u d e n k r e i s besteht aus segmenten, deren bepflanz u n g e n fa r b l i c h d e m g o e t h e s c h e n fa r b kreis entsprechen

links die scheiben im zentrum sind mit goethes begriffen d e r fa r b e m ot i o n e n beschriftet

blau Nepeta racemosa ‘Superba’ 7 Stck. (7/m 2) Scutellaria incana 9 Stck. (7/m 2) Scabiosa caucasica ‘Perfecta Blue’ 14 Stck. Centaurea montana 9 Stck. (7/m 2) Er yngium planum 8 Stck. Delphinium belladonna ‘Piccolo’ 4 Stck. und Delphinium New Millenium ‘Blue Lace’ 5 Stck.

violett Agastache ‘Black Adder’ 12 Stck. (7/m 2) Allium ‘Ambassador’ 5 Stck. Nepeta x faasenii ‘Six Hills Giant’ 7 Stck. (10/m 2) Echinops ritro 11 Stck. Iris sibirica 4 Stck. Geranium ‘Rozanne’ 12 Stck. Lupinus ‘Kastellan’ 6 Stck.

rot Allium glandulosum 5 Stck. Foeniculum vulgare ‘Atropurpureum’ 4 Stck. Achillea millefolium ‘Petra und Paprika’ 12 Stck. (6/m 2) Lupinus W. Coun. ‘Towering Inferno’ 11 Stck. Astrantia major 18 Stck. (6/m 2) Helenium ‘Ruby Tuesday’ 10 Stck. Panicum virgatum ‘Rehbraun’ 6 Stck.

grĂŒn Echinacea purpurea ‘Green Envy’ 9 Stck. Allium ‘Mont Blanc’ 5 Stck. Alchemilla epipsala 15 Stck. (7/m 2) Stipa tenuissima ‘Ponytails’ 12 Stck. (7/m 2) Astrania major ‘Sunningdale Variegata’ 6 Stck. Er yngium planum 6 Stck. Astrania major ‘Mager y Fish’ 7 Stck. Kniphofia uvaria ‘Green Jade’ 6 Stck. Euphorbia lathyris 8 Stck.

gelb Allium flavum 8 Stck. Lupinus ‘Deser t Sun’ 11 Stck. Kniphofia uvaria 7 Stck. Scabiosa ochroleuca ‘Moon Dance’ 11 Stck. Centaurea ruthenica und macrocephala 11 Stck. Helenium x cult. ‘Goldrausch’ 11 Stck. Achillea filipendula ‘Coronation Gold’ 18 Stck. (6/m 2) Coreopsis ver ticillata ‘Golden Gain’ 10 Stck. (8/m 2)

orange Achillea filipendulina ‘Teracotta’ 10 Stck. (6/m 2) Echinacea purpurea ‘Sundown’ 13 Stck. Carex comans ‘Bronce’ 11 Stck. (7/m 2) Kniphofia hirsuta ‘Fire Dance’ 7 Stck. Helianthemum ‘Luise Reuss’ 16 Stck. Lupinus W. Count. ‘Gladiator’ 11 Stck.

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„Sie weiSS mit jeglichem Tag die Speisen klug zu wechseln 
“ —

Da s g u t e L e b e n a m F r au e n p l a n

FĂŒr die GĂ€rtnerin Christiane sind die GemĂŒsebeete die Vorstufe zur KĂŒche. Alle Gartenarbeit zielt darauf ab, den anspruchsvollen Hausherrn, den großen Haushalt und die vielen GĂ€ste mit frischen Gartenprodukten zu versorgen und gleichzeitig die Keller und VorratsrĂ€ume fĂŒr den Winter zu fĂŒllen. Umso schwerer wiegt eine schlechte Ernte aufgrund des Wetters oder gieriger SchĂ€dlinge. FĂ€llt die Ernte ĂŒppig aus, dann gibt es bestimmte Obst- oder GemĂŒsesorten im Überfluss, und die Hausfrau muss erfindungsreich sein, damit der Speiseplan nicht langweilig wird. Außerdem hat sie alle HĂ€nde voll zu tun, denn die Ernte muss eingebracht und konserviert werden. „ Al l e s , wa s i h r d i e J a h r e s z e i t g i bt, da s b r i n g t s i e be i Z e i t e n D i r au f d e n T i s c h “ , l o bt G o e t h e s e i n e n „ Hau s s c h at z“ ,

denn sie „weiß mit jeglichem Tag die Speisen klug zu wechseln, und reift nur eben der Sommer die FrĂŒchte, denkt sie an Vorrat schon fĂŒr den Winter. Im kĂŒhlen Gewölbe gĂ€hrt ihr der krĂ€ftige Kohl, und reifen im Essig die Gurken; aber die luftige Kammer bewahrt ihr die Gaben Pomonens“.

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Da s g u t e L e b e n a m F r a u e n p l a n

Im riesigen Haus am Frauenplan besteht das Erdgeschoss aus KĂŒche, Lager- und VorratsrĂ€umen. Diese zu fĂŒllen, ist Christiane mithilfe der MĂ€gde wochenlang beschĂ€ftigt: KĂŒrbisse, Melonen und Kirschen werden in Essig eingelegt, Bohnen werden eingesalzen, SĂ€fte in Flaschen, FrĂŒchte als Marmeladen, Gelee oder Mus eingemacht; Kohl, Bohnen und gehobelte RĂŒben werden in FĂ€ssern und Steinguttöpfen vergoren. Salate, WurzelgemĂŒse und Blumenkohl kommen im frostfreien Lagerraum ins Sandbett oder werden im Freien eingemietet. KrĂ€uter werden getrocknet, eingesalzen oder in Töpfen mit Fett ĂŒbergossen aufbewahrt; sie werden zu Essenzen, Saft oder Sirup verarbeitet oder zu Tee getrocknet. Zu den vegetabilen GenĂŒssen aus den eigenen GĂ€rten werden zum Beispiel Forellen und Aal, TĂ€ubchen und Huhn, Rinderbraten oder Koteletts vom eigenen Schwein serviert. Schweine lĂ€sst der Herr Geheimrat beim Bauern mĂ€sten. Mehrmals im Jahr wird geschlachtet. Die Hausfrau kĂŒmmert sich um die Mast, die Schlachtung und die Verarbeitung des Fleisches zu Schinken, SĂŒlzen und WĂŒrsten. „Ich bin nicht so ganz mit meinem Schwein zufrieden“, beschwert sie sich in einem Jahr, hofft aber, „es solle mit dem Speckschwein besser werden.“


oben Da m i t d i e E r n t e b i s i n d e n W i n t e r h Ă€ l t, wird KĂŒrbis in Essig eingelegt

links Möhren bleiben im Sa n d b e t t h a l t b a r

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Ha u s h a l t s g e r Ă€t e – a l l e s , w a s d i e Ha u s f r a u b r a u c h t, Holzstich, um 1860

„Heute ist hier das große weimarische Landesvolksfest, der Zwiebelmarkt. Zu allen Toren der Stadt kamen heute große Fuhren von Zwiebeln, die an beiden Seiten des Frauenplans appetitlich ausgelegt sind. Die blanken Zwiebeln sind an langen FĂ€den wie PerlschnĂŒre aufgezogen und nehmen sich gar artig aus. Goethe hing sie an seinem Fenster patriotisch auf, was einiges Aufsehen machte.“ K a rl F r i e d r i c h Z e lt e r a n se i ne To c h t e r , 1 8 2 7

LĂ€ngst reicht die Ernte der fleißigen GĂ€rtnerin nicht aus, alle am Tisch ein Jahr lang satt zu bekommen. ThĂŒringische Produkte werden in Weimar oder Jena auf dem Markt besorgt. Jedes FrĂŒhjahr kauft Christiane „Hopfenkeimchen“ ein, das sind die Spitzen der Hopfentriebe, die wie Spargel verzehrt werden. Im Mai erscheinen Morcheln und Sauerampfer auf der Einkaufsliste und im September Schwarzwurzeln. KrĂ€uter und Pilze werden von „WĂ€ldlern“ geliefert. Milch, Butter, Eier und KĂ€se mĂŒssen zugekauft werden. Die im Haus gerĂŒhrten Brot- und Teigwaren lĂ€sst man beim BĂ€cker backen.

LuxusgĂŒter und Kostbarkeiten, wie „GĂ€nseleberpaste mit TrĂŒffeln“, werden zum stattlichen Preis von 2 Talern aus der herzoglichen KĂŒche bezogen. Feine Torten kommen vom Konditor. DelikatessenhĂ€ndler liefern das italienische Olivenöl, und auch die Weine aus dem Rheingau, von der Mosel und aus WĂŒrzburg werden angeliefert. Als SpezialitĂ€t werden Teltower RĂŒbchen, eine Lieblingsspeise des Hausherrn, aus Brandenburg beschafft; Spargel und Artischocken reifen eher im Rhein-Main-Gebiet und werden von dort geschickt. Außerdem sendet die Mutter im Herbst Esskastanien und immer wieder ein bestimmtes Mineralwasser, mal sind es 36 „Bouteillen“, mal 50, die als Heilmittel nach Weimar abgehen, und Frau Aja kĂŒndigt an: „Du erhĂ€ltst sie frank und frei – die Fracht ist bezahlt.“ Goethe ist beim Essen und Trinken sehr anspruchsvoll. WĂ€hrend seiner ersten Arbeitsaufenthalte in Jena klagt er bitter ĂŒber das auswĂ€r­ tige Essen. Erst als er die Frau des Jenaer Schlosskastellans, die „Trabitius“, dazu gewinnen kann, fĂŒr ihn zu kochen, steigt die Stimmung:

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Da s g u t e L e b e n a m F r a u e n p l a n

„ M i t m e i ner l eibl ic hen Nahru ng g eht e s n u n au c h s c ho n bes s er“, s c hreibt e r n ac h Hau s e, „die Trabitiu s bereitet d i e S pa rg el s ehr g u t, s o wie au c h g e l e g e ntl ic h einen Eierku c hen; S c h i l l e rs vers o rg en mic h mit Braten. “

Dennoch möchte Goethe, wenn er wochenlang in Jena ist, die so bequeme und schmackhafte Versorgung aus Christianes Vorratskammern nicht missen. Mal verlangt er nach Olivenöl, mal nach dem ersten Spargel oder „KalbsfĂŒĂŸen in Gelee“. Wo immer der Geheime Rat sich aufhĂ€lt, will er von seinem „KĂŒchenschatz“ verwöhnt werden. „Die Chocolade fĂ€ngt an zu fehlen, schicke mir doch welche, auch Sonnabends wieder.“ Oder: „Schicke mir doch sechs Bouteillen Wein und eine gute Cervelatwurst“ – so geht es in einem fort.


ganz links Goethes Mutter schickte d i e n a h r h a f t e n E s s ka s è¶ł ta n i e n a u s F r a n k f u rt

links D e n G o e t h e s c h e n Ha u s h a lt m i t G e m ç«Ż s e z u v e r s o r g e n , wa r G 蟰 rt n e r i n Christianes Ziel

unten A l l e F r ç«Ż c h t e d e s Ga r t e n s w u r d e n ko n s e r v i e r t u n d zu schmackhaften Speisen verarbeitet

Seite 133


— Gefunden

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Ich ging im Walde So fĂŒr mich hin, Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn.

Ich wollt’ es brechen, sagt’ es fein: Soll ich zum Welken Gebrochen sein?

Im Schatten sah ich Ein BlĂŒmchen stehn, Wie Sterne leuchtend, Wie Äuglein schön.

Ich grab’s mit allen Den WĂŒrzlein aus, Zum Garten trug ich’s Am hĂŒbschen Haus.

1 8 1 3 , e i n G e d i c h t f ĂŒ r seine frau christiane

Da s g u t e L e b e n a m F r a u e n p l a n

Und pflanzt es wieder Am stillen Ort; Nun zweigt es immer Und blĂŒht so fort.


Die ThĂŒringer Kartoffeltorte e i n R e z e p t vo n 1 7 9 7

â€žĂŒber einkĂ€uf e u n d a l l e a n d e r e n haush alt sausga b e n wi r d pe n i b e l b u c h gef ĂŒh rt. et wa 2 0 .0 0 0 s ol c h e r b l Ă€t t e r aus der goet h e s c h e n h au s wi rt s c h a ft sind er h alt en g e b l i e b e n u n d l ag e r n im goet h e- und s c h i l l e r -ar c h i v i n w eimar .

Daraus geht zum Beispiel auch hervor, dass zwischen dem Herrschafts- und dem Gesindeessen unterschieden wird. Um 1800 sind es sechs Angestellte, die versorgt werden mĂŒssen. WĂ€hrend Goethes Salat mit teurem „Provenceöl“ zubereitet wird, kommt heimisches Öl an den „Salat der Leute“. Bei ihnen kommt das „GrobgemĂŒse“ auf den Tisch, bei den Herrschaften die edleren und feineren GewĂ€chse. Gleichwohl ist die Alltagskost der Familie hĂ€ufig deftig und wie bei der Kartoffeltorte mit einem thĂŒringischen Einschlag, sind doch Christiane und die Köchinnen, die im Haus am Frauenplan dienen, waschechte ThĂŒringerinnen. An Festtagen oder fĂŒr GĂ€ste wird dagegen aufwendig gekocht, dann werden auch seltene Köstlichkeiten serviert. Unter Glas gezogenes FrĂŒhgemĂŒse, SĂŒdfrĂŒchte oder Exoten aus dem GewĂ€chshaus hat Christiane nicht zu bieten, da muss der Herr Minister mit dem herzoglichen HofgĂ€rtner verhandeln.

„Koche die Kartoffeln, aber nicht zu weich, lass sie erkalten und reibe sie auf der Reibe. RĂŒhre in einer SchĂŒssel 1 Pfund geriebnen Zucker, von 2 Zitronen die abgeriebne gelbe Schale nebst 16 bis 18 Eierdottern stark untereinander und thu 2 Pfund von den geriebnen Kartoffeln unter bestĂ€ndigem RĂŒhren nach und nach dazu. Das Eierweiß schlage zu Schnee, und ehe du die Torte in den Ofen bringst, so rĂŒhre [es] zur Masse. Bei mĂ€ĂŸiger Hitze backen, und nicht eher öffnen, als bist du glaubst, dass sie gahr sei, denn sonst fĂ€llt sie nieder. In einer Stunde ohngefĂ€hr ist sie gut.“

Goethe ist ein großzĂŒgiger Gastgeber. Ist er in Weimar, so lĂ€dt er hĂ€ufig zum Mittagessen ein. Mit zahlreichen GĂ€ngen, gutem Wein und kleinen Inszenierungen weiß er auch anspruchsvolle GĂ€ste zu beeindrucken: „Endlich trug man schöne FrĂŒchte und wohlgestaltete Kuchen auf“, berichtet Charlotte von Stein von einem dieser geselligen Treffen: „Auf dem Tisch standen Blumentöpfe mit ausgefallenen GewĂ€chsen. Gegen das Dessert erhob sich eine unsichtbare sanfte Musik.“

aus „goethes g Ă€ rt e n i n w e i m a r “ (s. S. 155)

gegenĂŒberliegende seite G e t ro c k n e t e K r Ă€u t e r w u r den zum WĂŒrzen, als Tee oder H e i l m i t t e l v e rw e n d e t

Als Goethe seinem Dienstherrn fĂŒr das Haus am Frauenplan dankt, versichert er, sein Domizil „nicht zum Wohlleben, sondern zu möglicher Verbreitung von Kunst und Wissenschaft“ zu nutzen. Doch angesichts der ĂŒppigen großbĂŒrgerlichen Haushaltung des Dichters ist das nur eine Seite der Medaille. Die andere ist das gute Leben, das fĂŒr Goethe genauso wichtig ist, wie sein kreatives Schaffen.

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De r D i cht e r fĂŒ r s t als le id e nsch aft li che r G ar t e n li e b h aber Goethe war nicht nur ein herausragender Dichter, sondern auch begeisterter Naturwissenschaftler und Pflanzenliebhaber. In Weimar besaß er den Hausgarten am Frauenplan und ein altes GartenhĂ€uschen an der Ilm. Die beiden GĂ€rten waren sein ganz persönliches Eldorado und Orte der Inspiration. Dieses Callwey Buch zeigt Ihnen die GĂ€rten von Goethe und seinen Weimarer Zeitgenossen von einer ganz besonderen Seite. Es erzĂ€hlt auf unterhaltsame Weise, wie der DichterfĂŒrst seine Leidenschaft fĂŒrs GĂ€rtnern entdeckte und was ihn inspirierte. Altes GĂ€rtnerwissen wird durch hilfreiche Zusatzinformationen zu einzelnen Pflanzen, Gartenthemen und -rezepten fĂŒr die heutige Zeit umsetzbar. Neben Anregungen fĂŒr die eigene Gartenplanung werden auch zahlreiche alte Blumen- und GemĂŒsesorten vorgestellt. Persönliche Notizen, Gedichte und Briefe des Dichters ergĂ€nzen das Werk.

Goethes berĂŒhmte GĂ€rten und ihre Besonderheiten Altes GĂ€rtnerwissen neu entdeckt: Anregungen fĂŒr den eigenen Garten ISBN 978-3-7667-2040-5

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Mit einer Liste der GÀrtnereien, in denen die Lieblingspflanzen von Goethe und seinen Zeitgenossen erhÀltlich sind


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