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Panorama Bezahlter Beifall

Mit so einem Publikum wird jeder zum Star

klatschen klatschen
Enthusiastischer Fan oder bezahlte Klatscherin? Beifall lässt sich organisieren
Quelle: Getty Images
Leere Fantribünen brachten Klaus Bernhard auf eine Idee: Warum nicht ein bezahltes Publikum engagieren? Heute vermittelt er professionelle Claqueure – und weiß, wie man richtig applaudiert.

Seine Firma heißt Rent-A-Fan, doch der Name ist missverständlich: Seine Leute, die Chef und Inhaber Klaus Bernhard in Konzerte, Festsäle oder auch auf einsame Beerdigungen schickt, nehmen zwar lautstark oder auch betretend schweigend Anteil. Aber nicht aus innerer Bewegung – sondern gegen Honorar. Sie sind eine Art Versicherungsvertreter, die peinliche und angstvolle Situationen retten können: das Rockkonzert mit nur zehn verkauften Karten, das Firmenfest einer frustrierten Belegschaft, die Beerdigung eines unbeliebten Patriarchen.

DIE WELT: Vor knapp 300 Jahren sollten Claqueure dem Theaterpublikum noch zeigen, wann es zu klatschen hat. Was ist die Aufgabe eines modernen Claqueurs?

Klaus Bernhard: Den klassischen Claqueur, den gibt’s immer noch. Wir haben zwei, die noch ins Theater gehen und an den richtigen Stellen klatschen. Aber in der Regel brauchen wir heute die Masse, die klatscht. Zum Beispiel bei einer Firmenfeier, damit sich die Leute wie Stars fühlen. Oder auf einer Messe haben wir das auch gemacht, da sind die Besucher dann wie Filmstars empfangen worden mit Jubeln, Klatschen und Schreien am Roten Teppich.

DIE WELT: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Claqueure zu vermitteln?

Bernhard: Das war bei der Fußballweltmeisterschaft in Japan und Korea. Da haben wir im Fernsehen die leeren Tribünen gesehen. Und dann sind wir auf die Idee gekommen, für Live-Events Publikum zur Verfügung zu stellen.

DIE WELT: Für alle, die sich bei Ihnen bewerben wollen: Was muss ein guter Claqueur mitbringen?

Bernhard: Ein guter Claqueur muss offen sein und auch mal für Neues zu begeistern. Jemand, der schüchtern ist und nur rumsteht, ist weniger geeignet für den Job.

DIE WELT: Wie viele Applausgeber kann man denn bei Ihnen mieten?

Bernhard: Wir haben eine Datenbank, die den ganzen deutschsprachen Raum erfasst und die hat im Moment 13.000 Einträge. Die größte Menge an Applausgebern, die auf einmal gebucht worden ist, das waren 200 Leute im Ruhrpott, die auf einem Festival klatschen sollten. Da haben mehrere Bands gespielt und mittendrin, ich glaube so als siebte oder achte Band, hat eine Band gespielt, die wir supporten sollten. Das heißt, wir mussten 200 Leute in einen Saal reinkriegen, in dem schon 3000 Leute drinnen waren. Und das war für uns eine Riesen-Mammutaufgabe.

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DIE WELT: Wie gehen Sie das an, wenn Sie einen Auftrag bekommen? Wie kann ich mir das vorstellen?

Bernhard: Das kommt wirklich komplett auf die Veranstaltung an. Und natürlich auch auf das Budget des Auftraggebers. Bei einem Musikkonzert kann man das relativ leicht erkennen, wenn 10 Karten verkauft sind und ich möcht aber schon, dass da ein bisschen mehr los ist. Dann empfehlen wir zwischen 50, 60, 70 Leuten. Das kommt auch auf den Saal drauf an. Das kann man nicht pauschal sagen. Wenn jemand sagt, ich möchte auf dem roten Teppich links und rechts Leute stehen haben, dann braucht man pro Meter schon zwei Leute.

DIE WELT: Wer engagiert Sie genau?

Bernhard: Meistens engagieren mich die Manager oder die Plattenlabels. Die Band selber, da ist mir nicht einmal bekannt, dass sie das gewusst haben, dass da sogenannte bezahlte Fans drin waren. Und meistens ist das bei Erstvorstellungen, wo auch die Presse eingeladen wird.

WELT: Können Sie denn echtes von inszeniertem Klatschen unterscheiden?

Bernhard: Nein, das kann man nicht. Weil die Euphorie der echten Fans natürlich auch auf unsere Fans überschwappt und umgekehrt. Das kann man nicht unterscheiden.

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DIE WELT: Soziale Ansteckung also. Man kann sich vorstellen, dass sich das nicht nur Menschen in der Unterhaltungsbranche zunutze machen wollen. Gibt es denn Veranstaltungen, die Sie nicht bedienen würden?

Bernhard: Ganz klar, wir machen keine politische Meinungsbildung. Wenn das einfach eine interne Veranstaltung einer Partei oder eines Ortsverbands ist, wo zum Beispiel jemand Geburtstag feiert und die würden den gerne mit einem Applaus empfangen, dann ist das wieder etwas Anderes. Aber alles, das zur politischen Meinungsbildung gehört, gehört nicht zu Rent-A-Fan.

DIE WELT: Sind Sie auf den Veranstaltungen auch mal selbst dabei und klatschen?

Bernhard: Die Frage ist völlig falsch, weil Sie müssten fragen: War ich auf einer Veranstaltung nicht dabei? Wir sind immer dabei, auf jeder Veranstaltung!

DIE WELT: Das heißt, mit Applaus kennen Sie sich also nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch aus?

Bernhard: Ja. Ich habe schon mal überlegt, ob ich einen Klatschkurs mache oder so. (Lacht)

DIE WELT: Was würden Sie denn in so einem Klatschkurs unterrichten?

Bernhard: Wie man richtig klatscht. Also manchmal sieht man schon, dass die Leute nicht richtig klatschen können. Ich weiß, dass ich selber sehr, sehr laut klatschen kann.

DIE WELT: Können Sie mir dann sagen, wie man besser nicht klatschen sollte?

Bernhard: Wenn man die Handflächen aufeinander klatscht, das ist natürlich falsch, weil das erzeugt weniger Geräusch. Am besten ist es, eine Hand etwas hohl zu machen und mit dem Finger über die hohle Fläche zu klatschen.

DIE WELT: Eine letzte Frage noch: Was war kurioseste Veranstaltung, für die Rent-A-Fan je gebucht wurde?

Bernhard: Das war eine Beerdigung. Natürlich nicht zum Klatschen. Aber das war jemand Bekanntes, der gestorben ist und da hatte die PR-Abteilung einfach Angst, dass zu wenig Leute kommen und deswegen haben wir dann zehn Leute dort hingeschickt.

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