Tornados zählen zu den seltensten Wetterphänomenen, das ist die gute Nachricht. Sie entstehen nur, wenn in der Atmosphäre mehrere Dinge gleichzeitig auftreten. Wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist, Unwetterwolken tief sind und der Wind unter diesen Wolken plötzlich die Richtung oder die Geschwindigkeit ändert.
Die schlechte Nachricht ist: An diesem Dienstag passiert vermutlich genau das in Teilen von Deutschland. Nur alle paar Jahre ist laut Deutschem Wetterdienst (DWD) die Tornadogefahr so hoch wie zurzeit.
Das gelte für die nördliche Mitte und den Osten, also Sachsen, Brandenburg, Berlin, den Südosten Niedersachsens, den Osten Mecklenburg-Vorpommerns sowie den Osten Thüringens. „Wir können nicht ausschließen, dass sich andernorts Tornados bilden, aber die Gefahr ist in anderen Gebieten nicht so hoch“, sagt Andreas Friedrich, Tornadobeauftragter des DWD.
Windscherungen wie im Mittleren Westen der USA
Von einem Tornado spricht man, wenn sich Wind um eine senkrechte Achse dreht, die von den Wolken bis zum Boden reicht. In der Regel dauern Tornados hierzulande nur wenige Minuten. Extremfälle von mehreren Stunden kommen häufiger in den USA vor.
Grund für das hohe Risiko ist laut DWD unter anderem, dass es am Dienstag zu ungewöhnlich starken Windscherungen komme. Das sind die plötzlichen Änderungen von Windrichtung oder -geschwindigkeit, die bei der Entstehung von Tornados eine Rolle spielen. „So starke Windscherungen wie heute treten sonst nur im Mittleren Westen der USA auf“, sagt Friedrich.
Die Stärke eines Tornados wird mit der Fujita-Skala angegeben. F0 steht dabei für einen schwachen Tornado mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 117 Kilometer pro Stunde, F5 für einen verheerenden Tornado mit Winden, die bis zu 512 Stundenkilometer schnell sind. In Deutschland sind Überlieferungen zufolge nur zwei F5-Tornados aufgetreten: 1764 in Mecklenburg-Vorpommern, 1800 in Sachsen.
Gewitterfallböen in Orkanstärke
Oft wird der Begriff „Windhose“ benutzt, wenn Tornados gemeint sind, obwohl der Begriff laut DWD nicht korrekt ist: „Laien sprechen gern von Windhosen, wenn es um regional begrenzte Windereignisse geht, die Dächer abdecken oder Bäume entwurzeln“, sagt Friedrich. „Aber der Begriff ist in Deutschland nicht klar definiert.“
Größer als die Gefahr von Tornados ist am Dienstag die von Gewitterfallböen in Orkanstärke. Gewitterfallböen werden auch Downbursts genannt und können bei starken Gewittern auftreten: Regen oder Hagel reißt dann kalte Luft mit nach unten, die am Boden aufprallt und in Zugrichtung der Wolken über das Gelände jagt.
Der DWD rechnet bei den heutigen Gewitterfallböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometer pro Stunde. Das sei im Sommer besonders gefährlich, weil Bäume mit Laub eine größere Widerstandsfläche bildeten als kahle Bäume im Winter. „Zu dieser Jahreszeit fallen Bäume schneller um als im Winter“, sagt Friedrich. „Deshalb sollte man heute Wälder meiden, solche Bereiche sind lebensgefährlich.“
Heftiger Regen in fast allen Teilen Deutschlands
Gewitterfallböen sind im Gegensatz zu Tornados ein häufiges Ereignis: Sie treten in Deutschland mehrere Hundert Mal pro Jahr auf.
Auch heftiger Regen ist zu erwarten. In bestimmten Gebieten könnten 40 bis 60 Liter pro Stunde und Quadratmeter fallen – ab 25 Litern wird eine Unwetterwarnung ausgelöst. Das Risiko dieser extremen Unwetter gelte fast in ganz Deutschland, sagt Andreas Friedrich.
Im Saarland, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gehe es um die Mittagszeit los, in Mitteldeutschland am späten Nachmittag, im Osten und Südosten erst in der Nacht. Nur im Nordwesten sei die feucht-schwüle Luft schon ausgeräumt, das Risiko von Unwettern gering.